Wahlprogramm zur Landtagswahl 2014

KAPITEL 1. SOZIALE GERECHTIGKEIT, NACHHALTIGKEIT, DASEINSVORSORGE

DIE LINKE ist die Partei der sozialen Gerechtigkeit in Thüringen. Soziale Gerechtigkeit setzt den sozial gleichen Zugang jedes Menschen zu den Bedingungen eines freien Lebens voraus. In diesem Sinne reicht es nicht aus, eine formale Chancengleichheit herzustellen. Menschen sollen einen gleichberechtigten Zugang zu ökonomischen, sozialen, politischen, ökologischen und kulturellen Ressourcen besitzen. In diesem Sinne treten wir ein für eine gerechte Verteilung von Reichtum und die Beseitigung von Armut. Wir setzen uns ein für die Schaffung der Bedingungen für gute Arbeit, einen existenzsichernden und Altersarmut ausschließenden Mindestlohn und für die Gewährleistung der sozialen Grundrechte durch die Einführung einer bedarfsdeckenden und repressionsfreien Mindestsicherung.

Die Sicherung einer für das menschliche Leben notwendigen Grundversorgung, die sogenannte Daseinsvorsorge, ist eine wichtige Grundlage für soziale Gerechtigkeit. Die Daseinsvorsorge gehört in öffentliche Hand und muss demokratisch kontrolliert werden. Von ihr dürfen Menschen weder ausgeschlossen, noch darf ihnen der Zugang erschwert werden. Wir setzen uns ein für einen grundlegenden sozial ökologischen Umbau, in dem für alle Einwohnerinnen und Einwohner die Grundleistungen der Daseinsvorsorge qualitativ hochwertig gewährleistet werden.

Gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land schaffen

DIE LINKE. Thüringen steht für eine ganzheitliche Politik, die es den Menschen ermöglicht, selbstbestimmt ihr eigenes Leben und ihr gesellschaftliches Umfeld aktiv zu gestalten. Wir sehen die Sicherung der sozialen Daseinsvorsorge als elementaren Bestandteil der Lebensqualität in Städten, Gemeinden und Landkreisen. Alle Menschen sollen sich in dem von ihnen gewünschten Rahmen politisch, sozial, kulturell, künstlerisch und sportlich betätigen können.
Wir wollen die sozialen Strukturen erhalten, die infolge finanzieller Engpässe und durch Kürzung der Fördermittel bedroht sind. Hierzu gehören insbesondere Kinder- und Jugendschutzdienste, Schwangerenberatungsstellen, Frauen- und Seniorenzentren. In Anlehnung an die Jugendpauschale wollen wir eine gesicherte Finanzierung der Sozialarbeit.
DIE LINKE. Thüringen schlägt ein demokratisch erarbeitetes Schwerpunktprogramm „Ländlicher Raum“ vor, um dem Schrumpfen der Dörfer entgegenzuwirken. Dabei geht es um die Bündelung von Verwaltung, Aufbau von Infrastruktur wie Energieversorgung, Dorfläden, die Erarbeitung eines übergreifenden ÖPNV-Konzepts unter Einbindung von Mitfahrgelegenheiten, Breitbandversorgung in der Fläche usw. Damit wollen wir die ländlichen Räume stärken und ihre Sozialstrukturen sichern, denn auch sie brauchen Kindergärten und Schulen, Begegnungsstätten, Beratungsstellen und Anlaufstellen von Ämtern. In einem Ort der Landgemeinde oder einer Verwaltungsgemeinschaft soll ein Sozialzentrum entstehen, in dem soziale Dienstleistungen angeboten werden. Hier können Räume für Vereine untergebracht werden, Vereine, Verbände und Ämter an bestimmten Tagen Sprechstunden anbieten und hier soll das Landambulatorium angesiedelt sein. In diesen Sozialzentren wird eine Koordinatorin/ein Koordinator für soziale Dienste tätig sein und u.a. die vorhandenen sozialen Angebote vernetzen, als Ansprechpartner dienen für Menschen mit sozialen Anliegen, eine Beratung durch Behörden und Verbände koordinieren sowie Veranstaltungen planen.

Kinder- und Jugendarmut bekämpfen

Armut von Kindern und Jugendlichen ist der dramatischste Ausdruck der sozialen Schieflage in Deutschland und ein gesellschaftlicher Skandal. Während die Vermögenssumme der Reichen immer weiter wächst, lebt fast jedes fünfte Kind in Thüringen in Armut. Sowohl diese Kinder als auch viele Jugendliche haben aufgrund materieller Armut nicht alle Voraussetzungen, die sie zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit benötigen. Eine gesunde Ernährung, gute Kleidung, ausreichend Wohnraum, Teilhabe an Bildung und sinnvoller Freizeitgestaltung sind nur eingeschränkt gewährleistet. Ihr Risiko, krank zu werden, ist deutlich höher. Ihre Zukunftschancen sind wesentlich geringer. Da unser Bildungssystem auf Ausgrenzung setzt und nicht darauf, alle Kinder gemäß ihren Fähigkeiten und Schwächen zu fördern, haben Kinder aus armen Familien schlechtere Chancen, einen guten Schulabschluss zu erreichen oder später zu studieren. Damit werden in vielen Familien Armutsbiografien in die nächste und übernächste Generation weitervererbt.
Da die Armut der Eltern zu Kinderarmut führt, muss die Einkommenssituation der Eltern verbessert werden. DIE LINKE. Thüringen setzt sich dafür ein, Langzeitarbeitslose effektiver zu vermitteln und die Situation Alleinerziehender zu stärken. Notwendig sind sowohl familienvereinbare Arbeitsplätze als auch individuelle Kinderbetreuungsangebote, die über die normalen Öffnungszeiten der Kindertagesstätten hinausgehen.
DIE LINKE. Thüringen wird Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen von Kinderarmut zu lindern und die soziale Absicherung, insbesondere von jungen Menschen in Ausbildung, zu garantieren. Um die Lage armer Kinder und Jugendlicher direkt zu verbessern, machen wir uns für ein kostenloses Mittagessen in Kita und Schule stark sowie für ein wirksameres Bildungssystem mit gemeinsamen Lernen und individueller Förderung. Alle Schulen, auch im Bereich der Berufsausbildung, sollten aus unserer Sicht materiell so ausgestattet sein, dass Schulgebühren entfallen können. Wir schlagen die Einführung eines Landesausbildungsentgeltes für nicht betriebliche Ausbildungen vor. Auf Bundesebene fordern wir eine Kindergrundsicherung, die Anhebung des Kindergeldes, die Einführung eines Mindestausbildungsentgeltes und eine repressionsfreie und existenzsichernde Grundsicherung für junge Menschen.

Jugendpolitik eigenständig und ressortübergreifend verstehen

Thüringen braucht Jugendliche und junge Erwachsene – ihre Ideen, Ressourcen und ihr Engagement. In der entscheidenden Lebensphase „Jugend“ benötigen Jugendliche Unterstützung und Anerkennung der Gesellschaft. Dazu wollen wir Rahmenbedingungen für Jugendliche und junge Erwachsene aus- und aufbauen, die ihnen die Gelegenheit bieten, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Dabei darf die Jugendphase nicht unter Verwertungsinteressen geplant, strukturiert und betrachtet werden.
Wir verstehen Jugendpolitik eigenständig und ressortübergreifend.
Zentrales Instrument ist die Stärkung und bedarfsgerechte Ausstattung der Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit und Jugendsozialarbeit, welche für uns zur Daseinsvorsorge gehören. DIE LINKE. Thüringen wird die Richtlinie örtliche Jugendförderung (Jugendpauschale) finanziell auskömmlicher ausstatten und Kommunen die Gegenfinanzierung ermöglichen. Die landesweite Jugend- und Jugendverbandsarbeit wollen wir unterstützen. Planungssicherheit und Abbau bürokratischer Strukturen sind dazu notwendige Elemente. Schulsozialarbeit hat sich auch über das Landesprogramm hinaus als notwendiges Element einer multiprofessionellen Schule bewährt und muss mindestens in der derzeitigen finanziellen und personellen Ausstattung fortgeführt werden.
Wir haben vor, die Arbeit der professionell Beschäftigten in der Jugendarbeit, Jugendverbands- und Jugendsozialarbeit durch eine tarifgerechte Bezahlung endlich angemessen anzuerkennen.
Partizipation, Empowerment und Lebensweltorientierung verstehen wir als zentrale Paradigmen der Jugendarbeit. Sie ist für uns nicht nur Teil der Bildungslandschaft, sondern eine eigenständige und notwendige Sozialisationsinstanz. Unser Bestreben ist es, für ein Angebot in Thüringen zu sorgen, welches bedarfsgerecht ausgestattet ist, Städte und ländliche Gebiete umfasst und Jugendliche aus allen gesellschaftlichen Schichten erreicht.
Lokale, zeitliche, ökonomische, partizipative und andere Freiräume wollen wir als Erfahrungs- und Gestaltungsräume für Jugendliche und junge Erwachsene einrichten. Dafür ist es unerlässlich, mehr Zeitkapazitäten als Voraussetzung für ehrenamtliches Engagement zu schaffen.

Frauen verdienen mehr: Thüringen emanzipieren

DIE LINKE. Thüringen bekennt sich klar zur Quotierung in allen Führungsebenen und Aufsichtsräten. Eine fortschrittliche Gesellschaft zeichnet sich auch durch Emanzipation und Selbstbestimmtheit aus. Wir stehen dafür, Frauen generell besser zu fördern. Der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt spielt dabei eine besondere Rolle. Frauenhäuser und -schutzwohnungen müssen gesichert und wo nötig ausgebaut werden. Wir wollen den Maßnahmeplan fortschreiben, die Täterberatungsstellen sowie Frauen- und Familienzentren sichern und, wo erforderlich, ausbauen. Beratungsstellen und -personal werden wir am tatsächlichen Bedarf orientieren, der nicht allein auf Grundlage der Anzahl der Einwohnerinnen berechnet wird, sondern sich aus veränderten Lebensbedingungen und besonderen Problemlagen ergibt.
Wir werden sicherstellen, dass Frauen, die durch eine Schwangerschaft in Not geraten, umfassende professionelle Hilfe erhalten, damit sie nicht in die Zwangslage geraten, ihr Kind in einer Babyklappe abgeben oder anonym gebären zu müssen. Zur Begleitung der Schwangerschaft wollen wir den Hebammenberuf sichern. Die Hebammen sollen durch eine ausreichende und angemessene Entlohnung in die Lage versetzt werden, auch die horrenden Versicherungssummen bezahlen zu können.
DIE LINKE. Thüringen wird sicherstellen, dass alleinstehende Flüchtlingsfrauen nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht und die landeseigenen Spielräume zum Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Verfolgung ausgeschöpft werden. Im Rahmen der polizeilichen Ermessensspielräume sollen Zwangsprostituierte als Kronzeuginnen behandelt, in Opferschutzprogramme aufgenommen und vor Abschiebung bewahrt werden. Als erste Kontaktstellen sollen geschützte Anlaufstellen mit qualifizierten und ebenfalls geschützten Fachfrauen bereitgestellt werden. Wir werden auf der Ebene des Bundes für entsprechende Lösungen eintreten.

Aktive Teilhabe für Seniorinnen und Senioren ermöglichen

DIE LINKE. Thüringen kämpft auf Bundesebene weiterhin gegen die Rente mit 67. Wir wollen eine zügige Ost-West-Angleichung und Nachteilsausgleiche für Systembrüche wie bei den in der DDR geschiedenen Frauen. Wir fordern eine solidarische Mindestrente und lehnen Zwangsverrentungen ebenso ab wie eine erzwungene Weiterbeschäftigung über die eigenen Belastungsgrenzen hinaus.
DIE LINKE. steht für ein anderes Bild des Alters und Alterns: Menschen werden nicht über ihre Defizite wahrgenommen, sondern als aktive, mitverantwortlich handelnde Bürgerinnen und Bürger angesprochen. Das Interesse Älterer am gesellschaftlichen Engagement und die darin liegenden Potenziale des Alters für die Gesellschaft müssen ausreichend zum Tragen kommen. Alter ist ein Lebensabschnitt mit eigenständigen Bedürfnissen, Ansprüchen, Vorstellungen und Erlebnismöglichkeiten. Die Politik muss die Rahmenbedingungen sicherstellen, in denen Ältere aktiv sein können. Dazu gehört die Absicherung der Gesundheitsversorgung, der Sozialstruktur und Barrierefreiheit ebenso wie die Möglichkeiten aktiver Teilhabe.
Um den Wohnbedürfnissen älter werdender Menschen gerecht zu werden, schlagen wir ein Programm zur Schaffung von barrierefreien, alternativen und generationenübergreifenden Wohn- und Betreuungsformen vor. Dabei sollen insbesondere Wohnprojekte gefördert werden, in denen sich die Bewohnerinnen und Bewohner gegenseitig helfen können. Hierzu gehören Projekte mit integrierten und ambulanten Pflegediensten und Dienstleistungsangeboten, die ein längeres Leben in der eigenen Wohnung ermöglichen.

Thüringen familienfreundlich gestalten

DIE LINKE. Thüringen setzt gegen die Abwanderung junger Menschen auf ein familienfreundliches Land, in dem Kinder ihren Platz haben, Arbeitsplätze familienverträglich und Rückkehrerinnen und Rückkehrer willkommen sind. Wir stehen für ein vielfältiges Familienbild, in dem sowohl klassische Mutter-Vater-Kind-Familien als auch Patchworkfamilien, Alleinerziehende und Familien mit schwulen und lesbischen Eltern aufgehoben sind. Unsere Familienpolitik orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen und behandelt alle Familienformen gleichberechtigt. Wir lehnen das Betreuungsgeld ebenso ab wie das Landeserziehungsgeld, das wir abschaffen werden. Eine Förderung dafür, dass Kinder nicht in die Kita gebracht und somit von der frühkindlichen Bildung ausgeschlossen werden, halten wir für falsch.
DIE LINKE. Thüringen fordert die vollständige rechtliche und gelebte Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren bis hin zum Adoptionsrecht.
Wir setzen uns für die bessere Unterstützung von Adoptiv- und Pflegefamilien ein. Sie sollen bei Beratungsleistungen und finanzieller Ausstattung Eltern in anderen Bundesländern gleichgestellt werden.
DIE LINKE. Thüringen will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und wird sich für ein flächendeckendes, hochwertiges und gebührenfreies Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie für familienfreundliche Arbeitsplätze und Arbeitszeiten einsetzen. Hierzu gehören vorübergehende Teilzeitangebote, Heimarbeitsplätze, Jobsharing auch auf Führungsebenen und Arbeitszeitkonten. Kleinere und mittlere Unternehmen werden wir bei der Einrichtung familienfreundlicher Arbeitsplätze unterstützen.

Medizinische Versorgung bedarfsgerecht sicherstellen

DIE LINKE. Thüringen steht für eine flächendeckende medizinische Versorgung im ambulanten sowie stationären Bereich. Allgemein- und Fachärztinnen und -ärzte müssen sowohl in den Städten als auch auf dem Land entsprechend des Bedarfs vorhanden sein.
Wir werden uns im Dialog mit den Krankenkassen für die Einrichtung von Landambulatorien einsetzen, in denen sowohl Allgemeinarztpraxen als auch Praxisräume für Fachärztinnen oder -ärzte, Apotheken sowie weitere Räume für Physiotherapeuten und Pflegedienste vorgesehen sind. Um der finanziellen Belastung einer Praxisübernahme zu entgehen, sollen Ärztinnen und Ärzte in den Landambulatorien angestellt werden können. Wir schlagen eine Bündelung aller Programme auf Bundes-, Landesebene und der Krankenkassen vor, um in Bedarfsregionen die Anschubfinanzierung für die Gründung von Landambulatorien oder Praxen zu gewährleisten. Medizinstudierende, die sich für eine mehrjährige Tätigkeit auf dem Land verpflichtend entscheiden, werden besonders gefördert. Quereinsteigerinnen und -einsteiger aus dem medizinischen Bereich sollen leichter ein Studium aufnehmen können, wenn sie sich für eine Landarzttätigkeit entscheiden. Um kranken Menschen das Aufsuchen von Landambulatorium oder Fachärzten in größeren Städten oder Krankenhäusern zu ermöglichen, wollen wir einen Patienten-Shuttle einrichten.
DIE LINKE. Thüringen steht für einen umfassenden Ansatz, der Gesundheitsprävention und das Mitdenken der Lebensumstände der Menschen miteinander verbindet. Arbeit macht auch im 21. Jahrhundert krank. Psychische Leiden sind die Folgen einer beschleunigten Arbeitsgesellschaft und ihrer unsicheren Beschäftigungsverhältnisse. Daher sind auch ein aktiver Arbeitsschutz, familienfreundliche Beschäftigungsmodelle und die Stärkung von Rechten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesundheitliche Präventionsarbeit. Auch jenseits des Arbeitsfeldes wirken Lebensumstände: Arme Menschen werden häufiger und anders krank als wohlhabende. Deshalb wollen wir die Gesundheitserziehung in den Kindertagesstätten und Schulen ebenso verbessern wie die Gesundheitsberatung für Erwachsene.
Frauenkörper sind anders als Männerkörper – so schlagen Frauenherzen bspw. anders als Männerherzen, weshalb bei Frauen ein Herzinfarkt oft nicht erkannt wird. Frauen sind gesundheitlich aber auch häufig stärker belastet, da sich viele von ihnen um Beruf und Familie kümmern und besonders von Armut betroffen sind, wenn sie alleinerziehend sind. Frauen sind zudem häufig in den schlecht bezahlten und körperlich belastenden Gesundheits- und Pflegeberufen tätig. Hinzu kommt, dass Forschung, Medizin und Therapie noch immer viel zu oft an männlichen Patienten ausgerichtet sind und somit Medikamente und Behandlungen bei Frauen häufig schlechter oder gar nicht wirken.
DIE LINKE. Thüringen setzt sich für eine Medizin ein, welche die jeweils unterschiedlichen biologischen und psychischen Voraussetzungen von Frauen und Männern berücksichtigt. Dies gilt für Forschung, Diagnostik und Therapien. Im Dialog mit Universitäten, Krankenkassen, Vertreterinnen von Frauengesundheitsorganisationen sowie Patientinnen und Patienten wollen wir ein differenziertes Bild vom Menschen in Pharmazie und Medizin befördern und dafür sorgen, dass Krankheiten wie Herzinfarkte bei Frauen oder Depressionen bei Männern schneller erkannt und behandelt werden. Wir werden einen Frauengesundheitsbericht und ein landesweites Frauengesundheitsnetz unterstützen.

Pflege und Betreuung qualitativ ausbauen und menschenwürdig gestalten

DIE LINKE. Thüringen versteht Pflege als eine Aufgabe der Gesellschaft und damit als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir wollen eine menschenwürdige und an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Pflege und Betreuung organisieren und sie gerecht und solidarisch finanzieren.
Wir setzen uns für einen höheren Fachkräfteschlüssel in der Pflege und die Gewährleistung hoher Qualitätsstandards ein. Notwendig sind eine qualitativ und quantitativ ausreichende Zahl von Pflegefachkräften und die Überarbeitung der Ausbildungsinhalte, bei denen das Qualitätsmanagement in den Mittelpunkt rücken soll. Wir wollen erreichen, dass den in den Pflegeberufen Tätigen mehr Respekt, Anerkennung und Würde entgegengebracht wird. Wir stehen für eine tarifgerechte Bezahlung und Entbürokratisierung der Pflege sowie die Umsetzung des Thüringer Pflegepaktes. Informationen über Pflegedienstleistungen sollen in den Sozialzentren gebündelt und kompakt an Interessierte und Angehörige weitergegeben werden.
Die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen haben sich verändert. Lange in der eigenen Wohnung verbleiben zu können und eine Autonomie zu bewahren, steht bei vielen an erster Stelle. Stationäre Angebote entsprechen in ihren Augen nicht diesem Anspruch. Auch die Pflege durch Angehörige wird in einer gewandelten Arbeitsgesellschaft und unter der Bedingung veränderter Familienbilder schwieriger und ist daher keine wirkliche ambulante Alternative. Damit Würde im Alter nicht vom Geldbeutel abhängig ist, werden wir endlich durchsetzen, dass das Prinzip „ambulant vor stationär“ systematisch von den Leistungsträgern bei der Finanzierung der Pflege beachtet wird.

Gesunde Ernährung bewusster machen

Immer mehr Menschen leiden unter ernährungsbedingten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Darmentzündungen, Gallenstein- oder Nierenkrankheiten. Besonders bedenklich ist, dass 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren übergewichtig sind. Krankhaftes Übergewicht (Adipositas) liegt bereits bei etwa 6,3 Prozent vor. Es leiden auch immer mehr Kinder an Diabetes mellitus Typ 2 – bislang bekannt als Altersdiabetes. In der Folge solcher Krankheiten bewegen sich Kinder noch weniger, werden sozial ausgegrenzt und kommen aufgrund gesundheitlicher Instabilität in der Schule schlechter mit als gesunde Kinder. Dies reduziert wiederum ihre Zukunftschancen.
Um Kindern ein besseres Verhältnis zu Lebensmitteln zu vermitteln, brauchen sie keine Belehrungen, sondern Spaß und Freude im Zusammenhang mit Produktion, Herstellung und Verzehr von Lebensmitteln. Deswegen will DIE LINKE. Thüringen, dass in Kitas und Schulen wieder verstärkt Schulgärten betrieben werden, selbst gekocht wird oder ortsnahe Anbieter gewählt werden, welche die erforderlichen Qualitätskriterien erfüllen. Gegenwärtig wird das Kindertages- und Schulessen zu oft über große Distanzen angeliefert und zu lange warm gehalten, sodass es bis zum eigentlichen Verzehr einen Großteil seiner gesunden Bestandteile und seines Geschmacks eingebüßt hat.
Mit vielfältigen, altersgerechten Projektangeboten sollen Kinder und Jugendliche mit praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten rund um gesunde Ernährung, Kochen und Zubereitung von gesunden Lebensmitteln begeistert werden und eine gesunde Lebensweise als Selbstverständlichkeit erleben und erlernen. Damit werden sie gleichzeitig gegen zahlreiche Krankheiten gewappnet, die aus ernährungsbedingtem Fehlverhalten resultieren. Durch Kooperationen zwischen Landwirtschaftsbetrieben, Kindertagesstätten und Schulküchen werden zugleich regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt.

Drogenpolitik neu denken

DIE LINKE. Thüringen setzt sich für eine gesundheitsorientierte, selbstbestimmte Drogenpolitik ein. Unter diesem Aspekt stehen alle Maßnahmen der Suchtprävention im Vordergrund unserer Bemühungen. Wir wollen die Entkriminalisierung des Drogengebrauchs vorantreiben, um einen effektiven Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz zu ermöglichen. Wir erachten eine Aufklärung über Rauschmittel in Schulen ab der 8. Klasse als dringend notwendigen Schritt der Prävention. Dabei sind Wirkung, Nebenwirkung und Aufbau in der Auseinandersetzung als wichtige Punkte zu setzen. Wir stehen für die Einführung von nicht kommerziellen Cannabis-Klubs oder anderer regulierter Abgabeformen für den Cannabiskonsum. Die Angebote zur Suchtprävention müssen ausgebaut werden. Auf neue Herausforderungen wollen wir mit Präventionsmaßnahmen reagieren, die auf Grundlage von medizinischen Veröffentlichungen und Studien basieren (bspw. zum Konsum von Crystal Meth). Des Weiteren muss die psychosoziale Betreuung der Schwerstabhängigen ausgebaut werden. Ärztinnen und Ärzte müssen bei der Schaffung von Substitutionsangeboten unterstützt werden. Auch die Möglichkeit, Drogen auf gefährliche Verunreinigungen prüfen zu lassen, ist eine wichtige Maßnahme, um die Gesundheit von Drogengebrauchenden besser zu schützen. Aufklärungskampagnen über die Droge Nummer eins, Alkohol, halten wir für ebenso notwendig wie ein Werbeverbot für Alkohol und Zigaretten. Der Nichtraucherschutz hat für uns weiterhin hohe Priorität, wir treten für einen wirksamen Schutz vor dem Passivrauchen in der Öffentlichkeit ein.

Thüringen sozial ökologisch umbauen

DIE LINKE. Thüringen sieht im Erhalt und der Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze, im sozialökologischen Umbau der Wirtschaft, einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sowie in der gleichberechtigten Teilhabe aller am Arbeitsmarkt die grundlegenden Ziele der Wirtschaftspolitik. Die Wirtschaftsstruktur in Thüringen ist kleinteilig, mehr als dreiviertel der Unternehmen haben weniger als zehn Beschäftigte. Noch immer reichen die an vielen Stellen im Land gezahlten Löhne nicht aus, um davon in Würde zu leben oder eine Familie zu ernähren. Hier wirkt die Niedriglohnpolitik von 25 Jahren CDU. Es besteht ein grundlegendes Defizit an existenzsichernden Arbeitsplätzen in unserem Land. Gleichwohl sind in den letzten Jahren Firmen in der Solarenergie, der Optik oder der Kreativwirtschaft entstanden, denen eindeutig die Zukunft gehört.
Wir sehen für Thüringen bei einer entsprechenden Politik gute Chancen, Vorreiter für ein nachhaltiges Wirtschaften zu werden. Dabei geht es im Kern um Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit, die Stärkung und Förderung regionaler Wertschöpfung sowie die Erschließung von neuen Wirtschaftsfeldern und Zukunftsbranchen. Kurzfristige Potenziale zur Schaffung von Arbeitsplätzen liegen vor allem in den Bereichen Klimaschutz/Energie, in der kommunalen Daseinsvorsorge, Kultur und im Tourismus. Langfristige Potenziale sehen wir vor allem in den wissens- und forschungsbasierten Bereichen.
Mit Wirtschaftswachstum allein wird sich das gesamtgesellschaftliche Problem der Massenarbeitslosigkeit nicht lösen. Deshalb schlägt DIE LINKE. Thüringen ein „Thüringer Zukunftsinvestitionsprogramm“ vor, um den sozialökologischen Umbau und die Gestaltung von Lebensqualität in den Städten und Gemeinden Thüringens zu verbinden mit der Erschließung beschäftigungspolitischer Potenziale, insbesondere im ländlichen Raum (Ziel: sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze).

Energieversorgung dezentral und sozial organisieren

DIE LINKE. Thüringen sieht in der Energieproblematik eine essenzielle ökologische, wirtschaftliche, soziale und demokratische Frage. Sowohl die Monopolstrukturen im Energiesektor als auch die verfehlte Politik der letzten zwei Bundesregierungen sind ursächlich für das Preisdiktat und die hohen Energiepreise verantwortlich. Deshalb werden wir, nachdem mit der Rekommunalisierung des EON-Netzes eine wesentliche Teilvoraussetzung für die Energiewende erfüllt ist, am zweiten Teil der Umsetzung unseres Energiekonzepts intensiv arbeiten: Unser langfristiges Ziel ist die dezentrale Energieerzeugung und -versorgung Thüringens durch einen Mix aus 100 Prozent regenerativen Energien. Unser Land besitzt ideale Voraussetzungen, sich mit Wind- und Wasserkraft, Biomasse, Solartechnik, Holzreichtum und Geothermie zu einer Energieregion zu entwickeln und sich damit unabhängig von Energieimporten zu machen. Wir können Vorreiter dieser Entwicklung werden und uns zu einem Zentrum für Forschung, Entwicklung und Fertigung diesbezüglicher Produkte entwickeln. Hier schlummert ein erhebliches Arbeitsplatzpotenzial, das wir wecken wollen.
Wir setzen dabei auf bereits vorhandene regionale und lokale Konzeptionen und wollen diese sinnvoll einbinden. Mit unserem Vorhaben wollen wir landesweit den Bedarf, die Erzeugung und die Verteilung bzw. das Management auf solidarischer Grundlage zusammenführen. In Abhängigkeit von regionalen Gegebenheiten sollen verstärkt Eignungsräume für die Erzeugung regenerativer Energie und für den Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungen ausgewiesen werden. Für Unternehmen stünden abhängig von ihrem Energiebedarf optimale Gewerbe- und Industrieflächen zur Verfügung. Die gegebenenfalls nötigen Änderungen im Planungsrecht wollen wir zügig in Angriff nehmen, die THEGA zu einer zentralen Energieserviceagentur ausbauen und das Nebeneinander verschiedenster Zuständigkeiten in der Regierung beenden.
DIE LINKE. Thüringen wird die Forschung im Bereich Energie in Zukunft massiv unterstützen. Insbesondere die an den Thüringer Hochschulen bzw. im Forschungsbereich angesiedelten enormen Kompetenzen sehen wir als wesentliches Standbein für die Thüringer Energiewende.
Um die Energieoffensive zu befördern, plädieren wir für ein öffentliches Landesprogramm, das Energie-Projekte von Städten, Gemeinden, Unternehmen und regionalen Initiativen fördert. Mit diesem Programm wollen wir das bisherige Klein-Klein in der Förderpolitik beenden und zu einem Projekt zusammenführen.
Ein Schlüssel zur nachhaltigen Energieversorgung der Zukunft ist der sparsame Umgang mit Energie, wobei der Entwicklung von effizienten Wärmedämm- und Energieeffizienzsystemen im Gebäudebereich sowie der Nutzung energiesparender Geräte und Anlagen große Bedeutung zukommt. Bei Neubauten streben wir mittelfristig Null-Emmissionshäuser an. Vorhandene Gebäude sollen in ihrer Energieeffizienz deutlich verbessert werden. Für Eigentümer mit geringer Finanzkraft plädieren wir für die Möglichkeiten des sogenannten Contractings, also der Vorfinanzierung durch Dritte (z.B. Thüringer Aufbaubank) und Tilgung der Investitionskosten aus den eingesparten Energiekosten.
DIE LINKE. Thüringen setzt sich auf Bundesebene und im Land für die Einführung eines Anreizsystems ein, welches ökologisch verträgliches Handeln und Energiesparen finanziell belohnt, ökologische Belastungen verursachendes Handeln dagegen deutlich höher besteuert.
Wir wollen alle Energieverbraucher einbeziehen, ärmere private Haushalte entlasten, Strom- und Gassperren verbieten. Wir fordern die tabulose, kritische Überprüfung und Änderung der Regelungen zur Entlastung von Unternehmen mit hohem Strombedarf. Ausnahmegenehmigungen müssen Ausnahmen bleiben.
Die Thüringer Stadtwerke unterstützen wir als wichtige Zentren kommunalen Wirtschaftens. Der Fokus ihrer Energieerzeugung ist dabei in erster Linie auf Kraft-Wärme-Kopplung zu richten.
Die Verkehrs-, Struktur- und Regionalplanung wollen wir zusammenführen. Zudem wird der ÖPNV neu an den Notwendigkeiten von Ökologie und den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet. Weiterhin sind Maßnahmen zum deutlichen Abbau des Schadstoffausstoßes von Fahrzeugen bzw. zur Umrüstung auf alternative Antriebsmöglichkeiten konsequent zu fördern.
DIE LINKE. Thüringen bleibt bei ihrem Nein zur 380-KV-Stromtrasse durch den Thüringer Wald, deren Notwendigkeit trotz diverser gerichtlicher Entscheidungen nicht überzeugend nachgewiesen ist. Ebenso lehnen wir weitere geplante Stromtrassen ab, da sie nur der Logik der Absicherung der konventionellen Kraftwerke der Strommultis folgen.
Wir sprechen uns stattdessen für die Nutzung der Windkraft aus. Entsprechende Anlagen dürfen jedoch nur unter Berücksichtigung der Belange von Natur und Mensch errichtet werden und müssen im Einklang mit Ökologie, Effizienz und Ästhetik stehen. Hierzu werden wir einen Windenergieerlass zur Ermittlung von geeigneten Standorten initiieren.
Wir befürworten Pumpspeicherwerke, wenn die Einspeisung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien erfolgt, der Verbleib der Wertschöpfung und der Energieversorgung in Thüringen gesichert ist, eine Anbindung an das rekommunalisierte Thüringer Energienetz erfolgt und ein in jeder Hinsicht vertretbarer Eingriff in die Natur sowie die Akzeptanz in der Bevölkerung gewährleistet ist.
DIE LINKE. Thüringen will die Möglichkeiten von Landesunternehmen, etwa ThüringenForst, Thüringer Fernwasserversorgung, Landgesellschaft, Landesentwicklungsgesellschaft und Thülima, Energie zu erzeugen, zu speichern bzw. einzusparen, konsequent nutzen.

Globalisierung regional gestalten

DIE LINKE. Thüringen will die „Globalisierung regional gestalten“. Deshalb sehen wir in der gezielten Förderung der Wirtschaft und regionaler Wirtschaftskreisläufe einen besonderen Schwerpunkt unserer Politik. Wir wollen die Förderpolitik der bisherigen Landesregierung einer generellen Bestandsaufnahme unterziehen und auf ihre Wirksamkeit hin prüfen. Die Gesamtzahl der Programme soll deutlich reduziert, vermeintlich große Investoren nicht länger bevorzugt werden. Wir wollen Wirtschaftsförderung stärker in Darlehensform gewähren und plädieren für verständliche Förderkriterien, die für jeden Menschen verständlich sind. Konkret werden auch Genossenschaften gefördert, um die Entwicklung von Unternehmen unterschiedlicher Eigentumsformen zu unterstützen.
DIE LINKE. Thüringen setzt auf die kleinen und mittlere Unternehmen sowie das regional ansässige Handwerk. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung und sind regional verwurzelt. Die von der bisherigen Landesregierung angekündigten bzw. eingerichteten Fonds zur Förderung von Zuschüssen und Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen und das Handwerk werden wir in ihrem Volumen deutlich aufzustocken.
Mit einem modernen „Fördergesetz für kleine und mittlere Unternehmen“ wollen wir die Zusammenarbeit und Vernetzung der zahlreichen Selbstständigen und Freiberufler als Einzelunternehmerinnen und -unternehmer unterstützen und dabei deren spezifische Probleme berücksichtigen – etwa Vertriebsstrukturen, Marketing/Werbung, Marktzugang, Bedarf an Mikrodarlehen.
Unternehmen, die unverschuldet in Not geraten sind, sollen eine gezielte Unterstützung des Landes als Hilfe zur Selbsthilfe erhalten. Die Einrichtung eines Liquiditätsfonds und von Zins- und Darlehensmoratorien werden wir prüfen.
Um ansiedlungswillige Unternehmen effektiver und unbürokratischer zu unterstützen, werden wir in Zusammenarbeit mit der Landesentwicklungsgesellschaft und den Kammern die Bestandspflege bestehender Unternehmen, Beratungs- und Coaching-Angebote für Existenzgründerinnen und -gründer sowie die begleitende Betreuung von Ansiedlungen und Rückkehrer-Initiativen forcieren.

Existenzsichernde Löhne und gute Arbeit befördern

DIE LINKE. Thüringen wendet sich gegen alle Formen der Niedriglohnbeschäftigung, Leiharbeit und gegen nicht vergütete Dauer-Praktika junger Absolventinnen und Absolventen. Um Lohndumping bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu vermeiden, werden wir ein flächendeckendes „Thüringer Mindestlohn- und Vergabegesetz“ einführen und für kleine und mittelständische Unternehmen Anpassungsregelungen vornehmen. Damit sollen öffentliche Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, die Tariflöhne und existenzsichernde Mindestlöhne nicht unter 10 Euro pro Stunde zahlen, Menschen mit Behinderung beschäftigen, überdurchschnittlich aus- und weiterbilden, Chancengleichheit befördern und familienfreundlich sind.
Überfällig ist die Umsetzung von Artikel 30 Abs.1 Nr.1 Einigungsvertrag, der den gesamtdeutschen Gesetzgeber verpflichtet, das Arbeitsvertragsrecht einheitlich neu zu regeln. DIE LINKE. Thüringen wird dazu Initiativen des Bundesrates fordern, die u.a. Gesetze zur Regelung der Mindestbedingungen im Arbeitsverhältnis, zu existenzsichernden Mindestlöhnen, zur Stärkung der Kaufkraft, zur Einführung einer armutsfesten und existenzsichernden Grundsicherung, für die Sicherung von sozialen Grundrechten und die Stärkung von Betriebsräten und Gewerkschaften beinhalten.

Innovativ und nachhaltig forschen und wirtschaften

DIE LINKE. Thüringen sieht im Bereich von Forschung und Technologie ein wichtiges Standbein der regional ansässigen Wirtschaft. Hier können innovative und nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden. Thüringen hat jedoch im Bereich der Forschung an Unternehmen deutlichen Nachholbedarf. Wir wollen deshalb ein Standortmarketing, das sowohl weiche Standortfaktoren wie Bildung und Kultur als auch die Infrastruktur umfasst.
Wir forcieren die Bündelung der Forschungsförderung. Kernstück ist ein ausgewogenes Verhältnis von Grundlagenforschung und angewandter Forschung; die Förderung von Zukunftstechnologiekonzepten (Energiewende, Informatik, Optik, Altersforschung, Medizintechnik usw.) und Branchenclustern. Die spezifische Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsstrukturen in Clustern und Netzwerken wird als vorrangiges Ziel verfolgt. Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Wirtschaft wichtige Voraussetzung. Die Abstimmung der Forschungsförderung muss aus unserer Sicht zwischen den entsprechenden Fachministerien für die Hochschulen, Wissenschafts- und Wirtschaftseinrichtungen koordiniert werden. Die angestrebte Förderpolitik soll dementsprechend auch diejenigen Hochschulfächer und Fachbereiche berücksichtigen, die naturgemäß nicht drittmittelintensiv sind. So lässt sich gewährleisten, dass die Innovations- und Forschungsförderung nicht einseitig auf die Verwertbarkeit von bestehenden und drittmittelstarken Hochschulbereichen gerichtet wird.
DIE LINKE. Thüringen will, dass Unternehmen steuerliche Vergünstigungen für Investitionen in Forschung und Entwicklung erhalten. Wir werden ein Programm für technologieoffene Förderung von Kooperationen zwischen Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen auflegen und Technologie- und Gründerzentren durch das Land anteilig finanzieren.

Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten

DIE LINKE. Thüringen stellt sich dem tief greifenden Wandel in der Arbeitswelt. Zunehmend gewinnen Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Verzahnung von Arbeits-, Wirtschafts- und Strukturpolitik und der Gestaltung des notwendigen sozial-ökologischen Umbaus für die Arbeitsmarktpolitik an Bedeutung. Dies beinhaltet, eine solidarische Ökonomie und die Humanisierung von Arbeit zu fördern, Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte auszugestalten und zu stärken sowie tragfähige und bedarfsgerechte Gemeinwesen-Arbeit zu schaffen.
Obwohl in Thüringen in den letzten Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse wieder gestiegen ist, liegt der Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit relativ fest bei mehr als einem Drittel aller Arbeitslosen, wobei viele Betroffene älter als 55 Jahre und trotz Fachkräftebedarf kaum zu vermitteln sind. Zudem sind 35 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Thüringen prekär, also in unfreiwilliger Teilzeit oder befristet und geringfügig bezahlt, sodass viele Betroffene aufstocken müssen.
Deshalb will DIE LINKE. Thüringen Arbeitsmarktpolitik als eine Struktur- und Beschäftigungspolitik gestalten, die auf Innovation und eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie auf GUTE Arbeit setzt. Unter diesem Begriff verstehen wir eine Tätigkeit, die Existenz sichert, und auf deren Grundlage jeder Mensch seine Lebensplanung selbstbestimmt gestalten kann.
DIE LINKE. Thüringen will einen öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) jenseits von Staat und Markt etablieren, um insbesondere Langzeitarbeitslosen eine Perspektive für ein Leben ohne Hartz IV durch sinnvolle Arbeit im gemeinwohlorientierten Bereich zu ermöglichen. Gegenstand des ÖBS ist es, in Zusammenarbeit mit Kommunen, Landkreisen und freien Trägern im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge und sozialer Dienstleistungen zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen – durch die Einführung eines Landesprogramms für langzeitarbeitslose Menschen in Thüringen unter Nutzung vorhandener sowie neu zu schaffender Förderinstrumente. Kriterien dabei sind: sozialversicherungspflichtig und existenzsichernd, freiwillig und längerfristig.
Menschen mit Behinderungen wollen wir mit dem Landesprogramm „Budget für Arbeit“ ermöglichen, eine selbstbestimmte Tätigkeit auszuüben. DIE LINKE. Thüringen setzt sich dabei dafür ein, die Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderungen in allen Unternehmen und Einrichtungen mit mehr als 20 Beschäftigten durchzusetzen, und wirkt bundesweit dafür, die Ausgleichsabgabe zu erhöhen. Gleichzeitig muss der Mindestlohn auch in Werkstätten für behinderte Menschen gelten.
Wir wollen das komplexe Programm „Thüringer Initiative für Bildung und Arbeit“ beschließen, um die Aus- und Weiterbildung zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfes als Bestandteil einer zukunftsorientierten Struktur- und Beschäftigungspolitik und der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit zu organisieren. Darüber hinaus befürworten wir eine Erweiterung der Berufsakademien und eine verstärkte Kooperation mit den Thüringer Hochschulen. Überlegungen, die staatliche Studienakademie und die damit verbundenen Standorte der Berufsakademien in Eisenach und Gera langfristig als „Duale Hochschulen“ in das Thüringer Hochschulgesetz aufzunehmen, sollen diskutiert und konzeptioniert werden. So ließe sich die duale Ausbildung perspektivisch stärken.
Im Bereich der Kulturarbeit, insbesondere der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, will DIE LINKE. Thüringen mehrjährige Projekte fördern, die sowohl Sach- als auch Personalkosten umfassen und von allen Trägern beantragt werden können. So wollen wir dem „unfreiwilligen Ehrenamt“ im Kultursektor entgegenwirken und Planungssicherheit sowie berufliche Perspektiven ermöglichen. Derartige Projekte sollen insbesondere die Teilhabemöglichkeiten an Kultur ohne soziale Hemmnisse erweitern.

Ressourcen schonen, Natur und Umwelt schützen

DIE LINKE. Thüringen vertritt eine nachhaltige Politik, die den schonenden Umgang mit allen Ressourcen zum Prinzip erhebt. Wir wollen die Natur schützen und die Artenvielfalt bewahren, Abfall vermeiden, weitere Flächenversiegelung stoppen, die Bodenfruchtbarkeit in der Landwirtschaft erhalten und wiederherstellen und den Einsatz sowie die konsequente Nutzung und Veredelung der in Thüringen zur Verfügung stehenden nachwachsenden Rohstoffe fördern.
DIE LINKE. Thüringen will im Bereich Abfall/Abfallentsorgung eine Reduzierung des Bergversatzes mit bergbaufremden Abfällen erreichen sowie eine deutlich verbesserte Umsetzung der ortsnahen Abfallbeseitigung und die Stärkung der stofflichen Abfallverwertung.
Wir weisen die überzogenen Forderungen des Bergbaukonzern K+S bezüglich der Altlastensanierung an das Land zurück. Die vom Konzern verlangten Gelder aus Thüringen aufgrund eines Vertrags, der streng geheim gehalten wird, lehnen wir ab. Vielmehr fordern wir juristische Schritte, um die Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität dieser Verträge zu prüfen. Wir setzen uns dafür ein, die Einleitung und Verpressung von Salzabwässern sowie die Erweiterung von Halden durch die Kaliindustrie zu beenden. Stattdessen drängen wir u.a. auf die stoffliche Nutzung der Salzabfälle.
DIE LINKE. Thüringen wird sich auf Ebene des Bundes für Neuverhandlungen über die Kostenbeteiligung bei den Wismut-Altstandorten einsetzen.
Wir wollen verpflichtende und insolvenzsichere Sicherheitsrücklagen im Bergbau einführen, um neue Altlasten zu verhindern und verlangen einen abstoßfreien Bergbau.
Wir sprechen uns für ein generelles Verbot unkonventioneller Erdgasförderung (Fracking) im Bund aus und fordern die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Frackvorgänge, z.B. bei der Geothermie.
DIE LINKE. Thüringen will Biosphärenreservate als Pilotprojekte für die gezielte Wirtschaftsansiedlung zur Erhöhung der Wertschöpfungstiefe für Produkte der Region entwickeln. Der Wald ist mit allen seinen Funktionen in Thüringen zu erhalten. Besondere Leistungen des Waldes, z.B. als Kohlenstoffsenke, sind mit geeigneten Maßnahmen zu fördern. Bestrebungen, den Verkauf von Kommunalwald zu ermöglichen, um Haushaltslöcher zu stopfen, erteilen wir eine klare Absage. Wir wollen die Bevorteilung der Großgrundbesitzer einschränken. Das soll durch eine kostendeckende Beförsterung des Großprivatwaldes ab 100 Hektar (ohne Waldgenossenschaften/Forstbetriebsgemeinschaften) erreicht werden.
Wir wollen Möglichkeiten zur Einführung befristeter Waldstilllegung als Totholzschutz außerhalb des Landeswaldes und wir favorisieren dementsprechend flexible Schutzinstrumente statt starrer Gebietsausweisungen. DIE LINKE. Thüringen wird in Zusammenarbeit mit betroffenen Waldbesitzern Lösungen suchen zur Wiederherstellung der Bewirtschaftbarkeit von extrem zersplittertem Waldeigentum.

Tierschutzgedanken stärken, Tierschutz verwirklichen

DIE LINKE. Thüringen wird sich aktiv dafür einsetzen, dass endlich Tierschutzziele in Thüringen durchgesetzt und verwirklicht werden. Wir streben eine Lösung für eine aufgabengerechte Finanzierung der Tierheime an, forcieren die Entwicklung eines Berufsbildes „Tierheimpfleger“ und die Verankerung des Tierschutzgedankens in den Thüringer Schullehrplänen. Außerdem befürworten wir die Finanzierung der Kastration wilder Katzen. Darüber hinaus sieht DIE LINKE. Thüringen gesetzlichen Handlungsbedarf: Wir wollen die Implementierung des vollständigen Verbandsklagerechtes für Tierschutzverbände, wie dies den Naturschutzorganisationen seit Jahren eingeräumt ist, eine Regelung des Fundtierrechts und die Novellierung des „Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren“. Ziel ist es, mehr Sicherheit zu erreichen – jedoch nicht zulasten des Tierschutzes, sondern z.B. durch die gezielte Förderung der Halterkunde.
Die Linke macht sich stark für eine angemessene Finanzierung der anerkannten Umwelt- und Tierschutzverbände, um sie in die Lage zu versetzen, ihre satzungsgemäßen Aufgaben sowie ihre Beteiligungsrechte in Verwaltungsverfahren in der notwendigen Qualität auszufüllen.

Landwirtschaft sozial ökologisch umbauen

DIE LINKE. Thüringen will eine Landwirtschaft, die umweltverträglich ist, einen Beitrag zur regionalen Lebensmittel- und Rohstoffproduktion und zur Erhaltung der Kulturlandschaft leistet. Eine solche Landwirtschaft ist ein grundlegender Bestandteil des sozialökologischen Umbaus. Wir wollen die Förderpolitik diesbezüglich neu ausrichten.
Wir stehen ein für eine flächendeckende nachhaltige Land- und Forstbewirtschaftung sowie Gartenbau und Fischereiwirtschaft mit regionalen Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen. Die hier tätigen Betriebe sollen in die Lage versetzet werden, den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen sowie den Anforderungen des Verbraucher-, Natur- und Tierschutzes gerecht zu werden. Aufgrund ihrer besonderen Situation setzten wir uns für die Möglichkeit einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage gegen Naturkatastrophen ein. Wir wollen das bäuerliche Eigentum schützen und die überbetriebliche Zusammenarbeit fördern. Agrargenossenschaften sind für uns positive Beispiele für demokratisch verfasste, gemeinschaftsorientierte Unternehmen. Die Vielfalt der Eigentumsformen erkennen wir unter den Prämissen an, dass landwirtschaftlicher Boden kein Spekulationsobjekt sein darf und der Boden möglichst denen gehören soll, die ihn bewirtschaften. Wir wollen, dass die Landwirtschaft insgesamt umweltverträglicher wird, Nutztiere artgerecht gehalten werden und auch arbeitplatzintensive Wirtschaftsbereiche, z.B. Milchvieh-, Schweine- und Schafhaltung, in Thüringen ihren Platz behalten und ausgeweitet werden. Auch der ökologische Landbau soll ausgebaut werden. Dazu wollen wir die öffentlichen Mittel der EU und des Bundes und die Landesmittel zielgerichtet für Umwelt- und Sozialleistungen vergeben. Das bedeutet u.a., klimatisch und topografisch benachteiligte Gebiete, etwa unsere Bergregionen, besonders zu fördern – z.B. über Ausgleichszulagen und die Förderung der Grünlandnutzung in diesen Regionen durch Weidetiere. Generell soll die Erhaltung von naturschutzfachlich wertvollem Grünland besonders unterstützt werden. Zudem wollen wir über den gezielten Einsatz der Fördermittel die Biodiversität stärken und damit bspw. Bienen und andere Bestäuber schützen. Unser Ziel ist, dass sich alle Menschen gesunde und ökologisch produzierte Lebensmittel leisten können. Prinzipiell müssen landwirtschaftliche Produkte so veredelt und weiterverarbeitet werden, dass sie hohen Sicherheitsstandards genügen.
Die Selbstverwaltung und -organisation der Regionen, der Erzeugerinnen und Erzeuger sowie aller Aktiven vor Ort wollen wir durch Bündelung der europäischen Fonds und Weiterentwicklung der LEADER-Prinzipien und -Programme unterstützen.
Thüringen braucht eine leistungsfähige, anwendungsorientierte Agrar- und Gartenbauforschung und Beratung. Daher wollen wir die dazu notwendigen Einrichtungen erhalten und stärken.

Mit Wasser achtsam umgehen

Um bspw. Hochwasserschutz, Wasserqualität und Biodiversität in ihrer ganzen Vielfältigkeit erfassen und beurteilen zu können, ist das Ökosystem Fließgewässer als gesamtes Flusseinzugsgebiet von der Quelle bis zur Mündung mit seinen Nebengewässern zu betrachten.
DIE LINKE. Thüringen wird den Gemeinden und Städten einen Vorschlag zur einheitlichen Bewirtschaftung der Gewässer 1. und 2. Ordnung unterbreiten und nach Zustimmung im Gesetz verankern.. Im ländlichen Raum wollen wir im Bereich der Abwasserentsorgung neue Wege gehen mit dem verpflichtenden Angebot von Einzel- und Kleingruppenlösungen durch die Abwasserzweckverbände – unter Berücksichtigung der Selbstreinigungskräfte der Gewässer. Besonders unterstützen werden wir dabei diverse Formen der Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern. Die Abwasserabgabe soll zur Erhöhung ihrer Lenkungswirkung überarbeitet und konsequent für Investitionen in die Abwasserbehandlung genutzt werden.
Wir wollen die Brauchwasserspeicher der Thüringer Fernwasserversorgung und die „herrenlosen“ Speicher der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie sowie geeignete Teiche in Hochwasserschutzkonzepte einbinden.
Beim Schutz vor Hochwasser steht für DIE LINKE. Thüringen der Schutz der Bevölkerung an erster Stelle. Wir treten für intelligente Polderlösungen ein, die landwirtschaftliche Flächen so lange schützen, wie es möglich ist. Für den Überschwemmungsfall sehen wir klare Entschädigungsregelungen für die Landwirtschaft vor.
DIE LINKE. Thüringen steht für ein Bauverbot in Überschwemmungsgebieten und die Prüfung von Rückbaumaßnahmen in besonderen Problemlagen.
Weiterhin wichtig ist uns die Vorbereitung eines gerechten Fernwasserpreissystems der Thüringer Fernwasserversorgung und eine stärkere Nutzung von Möglichkeiten zur Erzeugung und Speicherung von Energie. Dazu soll ein Lastmanagement im Thüringer Netz in Zusammenarbeit mit der TEAG realisiert werden. Abschließend sprechen wir uns für die Inwertsetzung von deren Talsperren durch neue Nutzungen sowie die Neuordnung der Anstaltskontrolle aus. Übergreifend wollen wir uns für eine gerechte, EU-konforme Einführung eines Wasserentnahmeentgelts für Wassernutzungen, welche die Wasserqualität beeinträchtigen, engagieren.

Brand- und Katastrophenschutz strukturell stärken

DIE LINKE. Thüringen wird aus den Erfahrungen, u.a. aus dem Hochwasser des Jahres 2013, Organisation, Struktur und Wirkungsweise des Katastrophenschutzes in Thüringen evaluieren. Wir werden prüfen, ob die Ausrichtung der Organisationsstrukturen und Vorgaben zur Ausstattungstechnik nach administrativen Gebietsstrukturen angemessen oder eine Ausrichtung an eintretbare Katastrophenlagen sinnvoll ist. Auch organisatorisch-strukturelle Fragen sowie Zuständigkeits- und Kompetenzfragen des Bundesländergrenzen überschreitenden Zusammenwirkens aller beteiligten Behörden des Bundes und der Länder, der Polizeien, der Wasser- und Feuerwehren und der Katastrophenschutzorganisationen sind zu überprüfen. Im eingetretenen Katastrophenfall braucht es in Thüringen klare Regelungen, ab wann verpflichtend die unteren Katastrophenschutzbehörden den Katastrophenalarm auslösen und die Gemeinden aus der dann nicht mehr schulterbaren Verantwortung zur Gefahrenabwehr entlassen sind. Eine gesicherte Alarmierung der Bevölkerung im Katastrophenfall ist in Thüringen nicht flächendeckend gewährleistet. Gemeinsam mit Verbänden und den Kommunen wollen wir ein Konzept zur Alarmierung als Bestandteil lokaler Notfallpläne entwickeln, das geeignet ist, Gefahren für Menschen rechtzeitig und wirksam zu vermindern.
Der gemeindliche Brandschutz, bei dem der Schutz von Menschenleben oberste Priorität hat, muss auch künftig auf hohem Niveau sichergestellt werden. Die Feuerwehren der Kommunen müssen entsprechend ausgestattet, ausgebildet und einsatzbereit sein. Daraus notwendigerweise entstehende Lasten wollen wir nicht allein den Kommunen überlassen. Bei kommunalen Entscheidungen über die Strukturen der Feuerwehren im Zusammenhang mit einer Funktional- und Verwaltungsreform ist die gesellschaftliche Verankerung der Feuerwehrvereine zu berücksichtigen.

Raumordnung und Landesplanung ökologisch nachhaltig umgestalten

DIE LINKE. Thüringen wird die Raumordnung und die Landesplanung unter Ausschöpfung der landesgesetzlichen Spielräume nach den Erfordernissen einer nachhaltigen Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik novellieren. Schwerpunkte sind für uns die Hervorhebung der erneuerbaren Energien als vorrangig öffentlicher Belang, die Überwindung von Zersiedelungen und ein gesetzlich verankerter Stopp des Flächenverbrauchs sowie die Berücksichtigung demografischer Fakten. Unser Ziel ist eine flächen- und umweltschonende sowie energie- und kostensparende Infrastruktur. In diesem Sinne sind die Vorhaben der Stadtentwicklungsplanung zu gestalten. Ökologische Konzepte und vorhandene Sparten, etwa das Kleingartenwesen, sind in ihrer Bedeutung zu stärken.
Wir wollen die Raumordnung an das Bau- und Kommunalrecht sowie die Ausbildungs- und Mittelstandsförderung hin zu einer ressourceneffizienten Wirtschaftsweise anpassen. Die Beteiligungsrechte von Kommunen, Bürgerschaft sowie Verbänden in den Planungsverfahren sind zu stärken, die Fristen müssen dabei angemessen berücksichtigt werden.
Weiterhin wird DIE LINKE. Thüringen die Möglichkeiten für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum erweitern.

Verkehrspolitik modernisieren, Mobilität sozial und barrierefrei garantieren

DIE LINKE. Thüringen plädiert für Verkehrsvermeidung und -verlagerung und will gleichzeitig dem wachsenden Bedürfnis der Menschen nach Mobilität einerseits und dem demografischen Wandel andererseits Rechnung tragen. Alle Verkehrsangebote sollen barrierefrei sein und so einen diskriminierungsfreien Zugang gewährleisten. Wir geben den öffentlichen Personennahverkehr vor dem Individualverkehr Vorrang, wollen ihn entsprechend fördern und dabei umweltfreundliche Antriebssysteme bevorzugen.
Wir stehen für eine landesweite Mobilitätsgarantie. Darüber hinaus wollen wir den fahrscheinlosen Verkehr erproben und einen thüringenweit einheitlichen Verkehrsverbund flächendeckend einführen. Dazu gehören Serviceleistungen wie kostenlose Internetzugänge in Bussen und Bahnen. Zusätzliche konkrete Alternativen, die besonders für den ländlichen Raum oder Pendler interessant sind, z.B. Rufbuslinien, Sammeltaxis usw., müssen mit gedacht und diskutiert werden.
DIE LINKE. Thüringen will das vorhandene Schienennetz (MDV) erhalten und gegebenenfalls ausbauen. Wir wollen die Verknüpfung von Straßen- und Schienenpersonennahverkehr weiter befördern und so vorhandene Lücken schließen. Wir plädieren für eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Hierzu sollen Anschlussgleise erhalten, reaktiviert und, wo möglich, bei Industrieansiedlungen neu gebaut werden. Wesentlich ist es, mit dem neuen ICE-Kreuz in Erfurt ab 2017 ein neues attraktives Thüringer S-Bahn-Netz aufzubauen, welches sowohl die abgehängten ICE-Haltestellen als auch sternförmig ganz Thüringen schnell und dicht vertaktet mit der Landeshauptstadt verbindet. Ein vom Land Thüringen implementiertes, gut funktionierendes S-Bahn-Netz bietet uns die Chance, völlig neue Verkehrsinfrastrukturverbindungen auf bestehenden Netzen zu erreichen.
Wir favorisieren im Straßenbau Instandsetzung und -haltung, der Bau von Ortsumgehungen muss mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen an der bisherigen Streckenführung einhergehen. Bei allen grundlegenden Sanierungen von Überlandstraßen ist der straßenbegleitende Radewegeausbau zu realisieren.

Wohnungsbau sozial und gemeinwohlorientiert

DIE LINKE. Thüringen sieht in einem guten, barrierefreien und bezahlbaren Wohnen ein soziales Grundrecht. Wir wollen einen neuen sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau als Alternative zum bisher privat dominierten und renditeorientierten Wohnungsmarkt. Wir wollen eine soziale kommunale Wohnungswirtschaft etablieren, die gemeinwohlorientiert, ökologisch, ressourcenschonend, barrierefrei, energieoptimiert und ohne Profitabsichten ist.
Zentral ist eine gesellschaftliche Offensive für bezahlbares Wohnen. Haushalte, deren Einkommen unterhalb des bundesdurchschnittlichen Haushaltseinkommens liegt, sollen für angemessenen Wohnraum nicht mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Wohnkosten – also Miete, Betriebskosten, Strom – aufwenden müssen.
DIE LINKE. Thüringen kämpft für eine echte Mietpreisbremse. Kommunen müssen Höchstmieten festlegen können, Heizkosten wieder im Wohngeld enthalten sein, energetische Sanierung muss sozial verträglich gestaltet werden. Außerdem wollen wir Spekulationen mit Wohnraum beenden und die massenhafte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stoppen. Nettokaltmieten sollen in bestehenden Mietverhältnissen ohne maßgebliche Wohnwertverbesserung nur im Rahmen des Inflationsausgleichs erhöht werden dürfen. Notwendig sind vor allem Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnwertes, was zeitnahe Mängelbeseitigung und Instandsetzung, Wohnumfeldmaßnahmen sowie wohnbegleitende Dienstleistungen beinhaltet. Modernisierungsförderung muss in Zukunft mit flankierenden Aspekten gekoppelt werden – etwa preiswerte Kredite bei energetischen Sanierungen, soziale Wohnraumförderung, integrierte Stadtentwicklungskonzepte etc.
Wir wollen eine Stadtentwicklung mit lebendig durchmischten Quartieren, u.a. indem preiswerter Wohnraum gesichert wird. Auch Belegungsrechte für unterstützungsbedürftige Haushalte und eine Auffächerung des Wohnangebotes durch Um- und Neubau werden angestrebt.
Die Bildung von Wohneigentum durch Mieterprivatisierung oder Neubau sowie die Förderung von (kleinen) Wohnungsbaugenossenschaften werden wir besonders unterstützen.

Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher als Querschnittsaufgabe verstehen

DIE LINKE. Thüringen sieht Verbraucherschutz als eine Querschnittsaufgabe, Verbraucherfragen und -interessen müssen in der Lebensmittelversorgung, der Energiewirtschaft, im Verkehr, im Gesundheitswesen, in der Finanzwirtschaft und im Versicherungswesen berücksichtigt und vertreten werden. Moderne Verbraucherpolitik ist für uns in erster Linie vorsorgender Verbraucherschutz. Dabei steht im Mittelpunkt, das Verursacherprinzip durchzusetzen. Haftungsregeln und Kostenübernahme müssen so geregelt sein, dass Verursacher von Schäden und Fehlentwicklungen finanziell und materiell zur Verantwortung gezogen werden. Die Verbraucheraufklärung muss wahrheitsgemäß erfolgen und darf keine Klischees bedienen. Lebensmittel müssen höchsten Qualitätsanforderungen genügen, die Verbraucher sollen über die tatsächliche Qualität informiert werden.
Wir wollen ein ausreichendes Budget für die Verbraucherzentrale und ihre Beratungsstellen in der Fläche sicherstellen.
Wir wollen, dass die Lebensmittelkontrolle bundesweit durch einheitliche Standards sichergestellt wird. Das bedeutet, dass wir das gegenwärtig praktizierte Kontrollsystem, das sich allein auf Risikoabschätzung stützt, wieder zu einem umfassenden Kontrollsystem ausbauen. Kennzeichnung von Nahrungsmitteln muss so gestaltet werden, dass auch sehgeschädigte oder ältere Menschen sowie Menschen mit Lernschwächen diese lesen und verstehen können.
Wir wollen die zuständigen Ämter und Kontrollbehörden ausreichend personell ausstatten.
    
Tourismus ganzheitlich entwickeln

DIE LINKE. Thüringen plädiert für einen sozial gerechten, barrierefreien und ökologisch verantwortbaren Tourismus, dem sie eine besondere kulturelle, soziale, ökologische und wirtschaftliche Bedeutung beimisst. Wir wollen konkret solche Projekte fördern, die attraktive bezahlbare touristische Angebote auch für sozial Schwache entwickeln und anbieten. Thüringen hat beste Voraussetzungen und Möglichkeiten für einen attraktiven Tourismus, es mangelt jedoch an der konsequenten Umsetzung einer gemeinsamen Strategie.
Wir wollen den Tourismus als einen wirtschaftlichen Pfeiler etablieren, denn hier liegt ein erhebliches und kurzfristig zu aktivierendes nachhaltiges Arbeitsplatzpotenzial. Über Qualitätswettbewerbe sollen einzelne Segmente prämiert, motiviert und zielgerichtet gefördert werden, wobei wir vorhaben, die Förderung finanziell aufzuwerten und inhaltlich deutlicher auszurichten.
DIE LINKE. Thüringen plädiert für ein Gesamtprogramm, mit dem alle Tourismusformen aufeinander abgestimmt werden. Als Tourismusschwerpunkte sehen wir sowohl die großen kulturellen und kunsthistorischen Stätten im Land als auch unsere vielfältige Natur mit dem Thüringer Wald und dem Rennsteig, dem Hainich, dem Südharz oder der Stauseeregion „Thüringer Meer“. Wir setzen dabei auf den Ausbau des touristischen Rad- und Wanderwegenetzes und die ökologisch verantwortbare touristische Nutzung der Großschutzgebiete unter der Dachmarke „Nationale Naturlandschaften“. Schwerpunkte sind dabei die Umweltbildung, eine stärkere Zusammenarbeit mit betreffenden anderen Bundesländern sowie die touristische Nutzung historischer Erinnerungsorte. Eingeschlossen in ein solches Gesamtprogramm ist auch, alle im Zusammenhang mit dem Tourismus stehenden Aspekte in landesweit koordinierten Apps zur Verfügung zu stellen.
Wir setzen uns aktiv ein für den weiteren Ausbau des Wintertourismus und die stärkere touristische Vermarktung von Wintersportevents und stehen für die Entwicklung des Kur-, Gesundheits-, und Wellness-Tourismus.

In die Zukunft investieren – die Finanzen stabilisieren

DIE LINKE. Thüringen sieht praktikable und finanzierbare Veränderungen als Ziel und Anspruch ihrer Politik. Wir wollen trotz der Schuldenbremse dafür sorgen, dass unsere formulierten Ansprüche in die Realität umgesetzt werden können. Obwohl die derzeitigen Steuereinnahmen positiv verlaufen, muss die Thüringer Landespolitik bis 2020 mit einem sinkenden Haushaltsvolumen rechnen, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht entscheidend verbessern.
Wir wollen für unsere Leitprojekte Kommunen, Bildung und Energie Haushaltsmittel umschichten und die bisherigen Förderprogramme des Landes auf ihre Wirksamkeit und Zielgenauigkeit prüfen. Für uns sind Mehrausgaben für die Leitprojekte und Konsolidierung des Haushalts kein Widerspruch, sondern bedingen einander, wenn es sich um Zukunftsinvestitionen handelt. Gleichermaßen wollen wir solche Investitionen stärken und den Haushalt stabilisieren. Nach 24 Jahren CDU-Politik in Thüringen ist ein umfassender Kassensturz notwendig. Dabei müssen die Risiken in den Sondervermögen mit betrachtet werden. Dieser umfassende Kassensturz und die Betrachtung der mittel- und langfristigen haushaltspolitischen Handlungsfähigkeit Thüringens haben für die Umsetzung politischer Leitprojekte eine hohe Bedeutung.
DIE LINKE. Thüringen sieht die Notwendigkeit, zur Finanzierung der Zukunftsaufgaben neue Spielräume zu schaffen. Auf der Ebene des Bundes muss endlich zu einer gerechteren Steuerpolitik übergegangen werden, die auch den Ländern wieder mehr Mittel sowohl zur Konsolidierung des Haushalts (Entschuldung) als auch zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben lässt. Die Kommunen brauchen auf Bundesebene eine Gemeindefinanzreform, die denselben Zielen dient.
Der Bund muss sich dem Problem drastisch steigender Sozialausgaben stellen. Wir setzten uns für eine Föderalismusreform III ein, welche die Finanzbeziehungen im föderalen Bundesstaat neu ordnet, die Einnahmeseite in den Mittelpunkt rückt und Hilfen für die Bundesländer bei Investitionen und Entschuldung zum Ziel haben muss. DIE LINKE. Thüringen wird sich für einen gerechten Länderfinanzausgleich auch ab 2019 einsetzen und so dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, Rechnung tragen.
Im Bundesrat wollen wir Initiativen unterstützen, mit denen die Finanzierung der öffentlichen Haushalte stabilisiert werden kann. Steuerschlupflöcher sollen geschlossen, eine Finanztransaktions- und Millionärssteuer eingesetzt werden.

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