Erklärung

Ulrike Grosse-Röthig / Christian Schaft / Bodo Ramelow / Steffen Dittes

Vor vier Tagen erfuhren der Thüringer Landesverband und die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag wie die Thüringer Öffentlichkeit von einem Verdacht der Staatsanwaltschaft gegen eines unserer Mitglieder. Die Schwere des vorgeworfenen Straftatbestandes entsetzt und erschüttert uns noch immer.

Die eingetretene Situation belastet uns - als Menschen, als Kolleg:innen, als politisch Engagierte, die derzeit und jeden Tag in der Öffentlichkeit für Vertrauen und Zustimmung als Kandidierende und Wahlkämpfer:innen für die Partei Die Linke werben.

Der Landesverband und die Landtagsfraktion haben sofort reagiert und noch am selben Tag festgestellt, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass der der Straftat verdächtige Abgeordnete weder für die Partei, noch für die Fraktion oder im Wahlkampf Aufgaben wahrnehmen oder in Erscheinung treten wird. Der Landesverband und der Kreisverband haben sich unmittelbar entschieden, auch keinen Wahlkampf für den Abgeordneten mehr durchzuführen und Plakate im Direktwahlkreis abzuhängen.

Es besteht aber keine rechtliche Möglichkeit, die Kandidatur als Direktkandidat oder als Listenkandidat weniger als vier Wochen vor der Wahl rückgängig zu machen. Dies ist gesetzlich ausgeschlossen.

Trotz aller politischen Belastungen und möglicherweise negativen Auswirkungen eines einzelnen Handelns auf uns als Partei stellen wir unmissverständlich fest, dass es keine Ermittlungen zur Unzeit gibt.

Die Opfer von Plattformen im Netz, in denen kinderpornografisches Material angeboten und konsumiert wird, sind Kinder, die durch Herstellung und Verbreitung erheblich an Leib und Seele verletzt und und nachhaltig geschädigt werden. Deshalb sind nicht nur die Herstellung, sondern auch die Verbreitung und der Konsum als gegen Kinder gerichtete Taten konsequent zu verfolgen. Der Schutz von Kindern und die Verfolgung der Täter hat oberste Priorität. Es muss jede Möglichkeit genutzt werden, mit den vorhandenen strafprozessualen Mitteln derartige Plattformen zu zerschlagen, die Verantwortlichen für die Herstellung und Verbreitung sowie die Konsumenten gleichermaßen als Täter zu ermitteln und strafrechtlich zu verfolgen.

Seit Jahren setzt sich Die Linke in Thüringen dafür ein, die Ermittlungsfähigkeit der Thüringer Polizei im Bereich der Internetkriminalität und speziell bei der Verfolgung im Bereich der Kinderpornografie zu stärken. 2024 sind im Ergebnis dieser Bemühungen dem zuständigen Dezernat im Landeskriminalamt neue Stellen zugeordnet wurden.

Die Linke Landtagsfraktion unterstützt von Anbeginn an und vorbehaltlos die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei auch im laufenden Verfahren, da Gegenstand der Ermittlungen auch eine der Fraktion zugeordnete IP-Adresse ist. Es ist nun die Aufgabe der Staatsanwaltschaft im laufenden Ermittlungsverfahren, den Verdacht zu erhärten oder den Verdächtigen vom Verdacht zu entlasten. Ein Gericht wird am Ende des Verfahren die strafrechtliche Schuld oder Unschuld feststellen und ein Strafmaß festsetzen.

Dieses dem Rechtsstaat zu Grunde liegende Prinzip kann nicht durch ein auf Meinung und Werturteil basierendes gesellschaftliches Urteil ersetzt werden. In einem solchen rechtsstaatlichen Verfahren haben auch Tatverdächtige und Beschuldigte Rechte, die auch im vorliegenden Falle uneingeschränkt gelten und deren Inanspruchnahme keinem Vorwurf ausgesetzt werden kann. Als Linke werden wir diese rechtsstaatlichen Prinzipien immer verteidigen. Sie entfalten ihre volle Bedeutung erst und müssen vor allem dann verteidigt werden, wenn sie durch eine große Mehrheit in der Gesellschaft auch durch menschlich in jeder Hinsicht nachvollziehbare Werturteile in Frage gestellt werden. Rechtstaatsprinzipien gelten immer, ungeachtet weshalb, wie und auf wen sie wirken. Darauf müssen sich alle zu jeder Zeit ebenso verlassen können wie politische Verantwortungsträger jederzeit für diese eintreten.

Dennoch stehen Politiker, vielmehr noch wenn sie sich zur Wahl gestellt haben und fortgesetzt stellen, in einer besonderen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.

Ohne ihre Rechte als Verdächtige oder Beschuldigte im Ermittlungs- oder Strafverfahren in Frage zu stellen, haben Wähler:innen ein Recht auf eine Erklärung von ihnen, wenn weiterhin das Mandat innebehalten wird oder der (Neu)Erwerb eines Mandates im Raum steht. Dies ergibt sich aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie, in dem Wähler:innen bestimmen, durch wen sie vertreten werden, und wissen müssen, wer sie als Mensch vertritt. Dies schließt nicht den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung ein. Aber ein Ermittlungsverfahren, das sich auf einen begründeten Anfangsverdacht, ohne den die Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft nicht möglich gewesen wäre, gehört nicht zu diesem Bereich. Wir haben uns in den vergangenen Tage klar und konsequent in der Sache, aber zurückhaltend zur Person und zu konkretem Straftatverdacht geäußert. Zu letzterem haben wir ohnehin nicht mehr Kenntnis, als in den vergangenen Tagen in unterschiedlichen Medien berichtet wurde.

Entgegen der Erwartung seiner Abgeordnetenkollegen, der Mitarbeiter:innen der Fraktion, Mitgliedern und Wähler:innen der Partei Die Linke hat sich der einer schweren Straftat verdächtige Abgeordnete vier Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn noch nicht geäußert. Als Mensch hat er das unabstreitbare Recht, zum Verdacht zu schweigen. Und er hat das Recht, dass ein Schweigen nicht als Schuldeingeständnis interpretiert wird.

Als gewählter Parlamentarier hat er die Verantwortung, sich zu äußern.

Er hat die Pflicht, sich zu entscheiden. Wenn er weiter schweigt und sich nicht zum Ermittlungsverfahren äußert, dann erwarten wir eine Erklärung zum vollständigen Rückzug aus der Politik und insbesondere zur Nichtannahme eines ggf. nach der Wahl durch Zweitstimmen für die Partei Die Linke ihm zufallenden Mandates.

Unabhängig davon steht für Die Linke unumstößlich fest, dass, wenn er ein Mandat im Landtag erreicht, eine Mitgliedschaft in der Fraktion Die Linke bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens und bei Bestätigung der Vorwürfe grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Ulrike Grosse-Röthig, Landesvorsitzende Die Linke Thüringen
Christian Schaft, Landesvorsitzender Die Linke Thüringen
Bodo Ramelow, Spitzenkandidat, Die Linke Thüringen
Steffen Dittes, Fraktionsvorsitzender Die Linke im Thüringer Landtag